
Segen für alle
Die Empörung ist groß, dass die römische Glaubenskongregation weiterhin darauf beharrt, Partnerschaften von Homosexuellen könnten nicht gesegnet werden. Der Predigttext vom heutigen Sonntag (Joh12, 20-33) steht dazu in einem kritischen Kontrast. Hier meine heutige Predigt:
Gott nahe kommen, nahe sein, und wie das geht, wer das kann. Darum geht es in diesem Abschnitt des Johannes-Evangeliums. Es hält eine dicke Überraschung und eine persönliche Herausforderung für uns bereit. Ganz unschuldig, beiläufig ist die Rede davon, dass einige Griechen nach Jerusalem gekommen waren, um im Tempel „Gott anzubeten“. So selbstverständlich ist das nicht, man mag sich wundern: wieso kommen „Griechen“ ins zentrale Heiligtum des jüdischen Glaubens?
Es könnte sein, dass es griechischsprachige Juden aus einer der modernen Städte entlang der Mittelmeerküste sind. Vielleicht sind es auch sogenannte Proselyten, Menschen, die den jüdischen Glauben angenommen haben. Ich halte es auch nicht für ausgeschlossen, dass es sich bei der Gruppe um Menschen handelt, die aus der griechischen Welt kommen, noch gar keinen sehr konkreten Glauben haben, und schwer auf der Suche sind.
Wie auch immer. In den Augen der Jerusalemer Tempelpriester und vieler anderer waren das eher keine „richtigen“ Gläubigen. Solche, die man mehr duldete als willkommen hieß. Man kann sich das spöttische Lächeln vorstellen, mit dem diese Autoritäten jene Leute bedachten, ihre griechische Sprache, ihren Lebensstil, der sich in kleineren und größeren Dingen zeigt. Ganz ähnlich, wie heute in Israel religiöse Eiferer auf Tel Aviv blicken… Man arrangierte sich, ohne sich sehr zu mögen, und blieb sich fremd. Der ein oder andere mag sich sogar gefragt haben, ob diese „Griechen“ denn überhaupt in der Lage waren, „intrinsisch betrachtet“ , Gott richtig anzubeten…
Du kannst alles, höchst korrekt, so tun, wie es die Routine vorgibt, wie es die heilige Tradition immer schon war – und zu dramatischen Fehleinschätzungen kommen!
Ausgerechnet diese Gruppe ist aber, in der Perspektive des Johannes-Evangeliums, auf der richtigen Fährte. Überraschung! Durch ihr großes Interesse an all diesen Glaubensthemen haben sie von Jesus gehört. Ihr religiöses Anliegen, Gott anzubeten, führt sie zum Wunsch, Jesus zu sehen. Dazu gleich mehr. Hier erstmal dieser „Hammer“: nicht die religiösen Platzhirsche, die offiziellen Experten erkennen, worum es geht, was aktuell bedeutsam ist, sondern Menschen, die man eher so am Rand der community angesiedelt hätte, denen man eigentlich mehr oder weniger laut abspricht, vollwertig dazuzugehören! Darin steckt eine dicke Warnung: du kannst als institutioneller Gottesmann, als „Glaubensfunktionär“ täglich treu und untadelig deinen Dienst tun, und trotzdem das Wesentlichste [in dem Fall den anwesenden Christus] übersehen! Du kannst alles, höchst korrekt, so tun, wie es die Routine vorgibt, wie es die heilige Tradition angeblich immer schon war – und zu dramatischen Fehleinschätzungen kommen! Nicht die Regeln, die Riten nach strenger Vorgabe, auch nicht die Institution, garantieren dir einen lebendigen Glauben. Alles hängt von Deiner Haltung ab, von deinem suchenden Herzen, von deiner Bereitschaft, Wege zu gehen. Das Johannes-Evangelium will, dass du dich entscheidest, heute und künftig auch, täglich. Glaube und Gottesbeziehung sind kein Besitz und kein Selbstläufer. Du kannst hier keine Liege mit deinem Strandtuch reservieren. Wenn du was willst, musst du eben da sein, wenn’s drauf ankommt.

Christus ist für das Heil der Menschen da. Für alle Menschen da. Dein Status, deine Macht, dein gesellschaftliches Image sind ihm völlig gleichgültig. Er schaut aufs Herz. Das ist so erfrischend anders und befreiend. Entsprechend sammelt Jesus eine äußerst bunte Truppe um sich: da sind recht biedere Fischer und Leute, die mit Terror gegen die Besatzungsmacht liebäugeln. Frauen, die toxische Beziehungen hinter sich haben. Unternehmer, die zwielichtige Geschäftige machen. Prostituierte. Da ist ein Jünger, „den Jesus liebte“ (was auch immer das bedeuten soll). Angesehene, gebildete Leute, die aber nur geheim dazu gehören wollen. Alle möglichen Leute, die vom Mainstream schief betrachtet werden. Und nicht zu vergessen, solche „Griechen“.
Diese „Griechen“ wenden sich an Philippus. Kein Zufall, der kommt aus Betsaida, wo man ebenfalls Griechisch spricht. Der versteht sie, im doppelten Sinn, und umgekehrt erscheint er den Suchenden als ansprechbar. Zum Glauben braucht es Personen, Vermittler. Niemand glaubt einfach, weil er ein schlaues Buch oder eine Enzyklika gelesen hat, oder den Katechismus so beeindruckend findet. Kirche lebt nicht davon, abstrakte Idee zu sein oder heilige Struktur. Beim Suchen und Glauben (das weiter Suchen heißt!) brauche ich andere Menschen, ihre Ideen, ihr Lebenszeugnis. Glaube lebt von Personen, die mich mitreißen, überzeugen, aufrichten. Glaube ist immer Beziehung, im Innersten dann Beziehung zu Gott.
Aus diesen Betrachtungen wünsche ich mir zwei Dinge, für mein Leben und für die Kirche insgesamt:
- Dass wir neugierig auf dieses Leben und alle seine Phänomene bleiben. Das bedeutet auch eine gewisse Demut: niemand weiß schon alles, deshalb können wir immer wieder überrascht werden, in Frage gestellt werden in unserem Denken, unseren Gewohnheiten, unserm Reden.
- Dass wir alles dran geben, das Evangelium besser zu verstehen und zu leben. Das bedeutet vor allem anderen: Niemanden, niemanden ausschließen. Das Wohl der Menschen, spirituell, ethisch, materiell, als höchste Priorität. Und das nicht als Floskel, mit der wir uns schulterklopfend bestätigen, sondern als Ideal, das wir als Herausforderung annehmen.
Ich denke, das ist der Weg, um Gott zu suchen, ihm so nahe wie es geht zu kommen, ihn anzubeten.
Foto: Thomas Vogel, unsplash.com
Danke Marius für diese wunderschöne so treffende Predigt! Viele Grüße Silvia